Elektro-Engineering: Vereinfachung in der Variantenkonstruktion
Schaltschrankbauer nutzt konsequent neue Tools und Funktionen
Das Konstruktionsbüro Becker (KBB) in Augsburg entwickelt und baut komplexe Schaltanlagen für anspruchsvolle Kunden aus dem Sondermaschinenbau. In den vergangenen Monaten hat das Unternehmen die schon lange genutzte EPLAN Plattform um zusätzliche Tools und Funktionen erweitert. Mit Einsatz von eBUILD wird jetzt die Variantenkonstruktion vereinfacht.
Zu den Vorteilen von Engineering-Plattformen gehört es, dass sie nicht statisch genutzt werden müssen. Vielmehr kann der Anwender mit ihnen Schritt für Schritt zum Beispiel in Richtung automatisiertes Engineering gehen. Das gilt auch und in hohem Maße für die EPLAN Plattform, wie das Konstruktionsbüro Becker (KBB) in Augsburg beweist. Das familiengeführte Unternehmen – mit Markus Becker in erster und Florian Becker in zweiter Generation – konzentriert sich seit rund 25 Jahren auf anspruchsvolle Projekte in der Elektrokonstruktion und im Schaltschrankbau.
Klassischer Sondermaschinenbau
Zu den Kunden gehört zum Beispiel ein Hersteller von Hubbühnen für die Wartung von Zügen und Straßenbahnen. Florian Becker: „Bei diesen Anlagen ist die Elektro- und Steuerungstechnik in dezentraler Bauweise ausgeführt, d.h. in mehrere Klemmenkästen aufgeteilt.“ Andere Kunden stellen Anlagen für die Absaugung von Motorabgasen, Servopressen, Misch- und Mahlanlagen sowie Windenantriebe für den Bühnenbau her. Und fast immer handelt es sich um klassische Sondermaschinenbauer. Die oft sehr komplexe Elektrotechnik wird also in Stückzahl Eins projektiert und vor Ort in Betrieb genommen. Dabei kommt die EPLAN Plattform zum Einsatz.
Arbeitserleichterungen sind gefragt
Im Wettbewerb der Konstruktionsbüros und Schaltschrankbauer behauptet sich KBB u.a. durch schnelles und termintreues Abarbeiten der Aufträge – und durch die konsequente Nutzung von Innovationen. Florian Becker: „Weil wir Ingenieure mit Leidenschaft sind, testen, prüfen und erproben wir gern. Wenn EPLAN z.B. Testversionen mit neuen Funktionalitäten zur Verfügung stellt, probieren wir das aus – vor allem daraufhin, ob uns die neuen Features die Arbeit erleichtern.“
Vereinfachte Variantenkonstruktion mit eBUILD
Eine richtungs- und zukunftsweisende Weiterentwicklung der EPLAN Plattform hat sich KBB mit der Nutzung der Cloud-Funktionen erschlossen. Das primäre Ziel war hier die Vereinfachung der Variantenkonstruktion. Florian Becker: „Seit etwa sechs Monaten verwenden wir EPLAN eBUILD für die Konstruktion von Varianten und Wiederholkomponenten.“
Warum die Vereinfachung dieser Aufgabe für KBB hohen Nutzwert hat, erklärt sich beispielhaft anhand eines konkreten Projektes. Bei einer Wartungs-Hubbühne für Züge mussten nahezu 200 Unterstationen und Unterverteilungen (Klemmenkästen) geplant werden. Die Klemmenkästen sind zwar ähnlich, aber fast nie gleich. Florian Becker: „Mit eBUILD können wir ganz einfach eine Grundkonstellation festlegen, die wir an die konkrete Anforderung, zum Beispiel die Leistung der Antriebe oder die Position der Schaltbox im Verteilernetz, anpassen.“ Das ist zwar eher ein „Nebeneffekt“, aus Sicht der KBB-Elektroplaner aber ein ganz entscheidender: „Für die Variantenkonstruktion stellt eBUILD sehr praktische Software-Tools bereit, die diese Aufgabe extrem erleichtern.“
Neben der Arbeitserleichterung überzeugt hier aus Sicht der KBB-Elektrokonstrukteure auch das Bezahlmodell. „Wir bezahlen jährlich für einen Lizenz-Token, losgelöst von der Hardware und davon, wer die Software nutzt. Das ist fair.“
eVIEW als Feedback-Kanal
Neu für die Becker-Konstrukteure ist auch die Nutzung der Viewing-Funktion in EPLAN eVIEW. Florian Becker: „Wir nutzen diese Funktion überwiegend als internen Feedback-Kanal: Die Kollegen können zum Beispiel Kommentare und Notizen einfügen, Freigaben erteilen und dabei auch externe Mitarbeiter einbinden. Das sorgt für einen ebenso einfachen wie strukturierten Workflow.“ Praktisch ist auch die Nutzung vor Ort, während der Installation und Inbetriebnahme: „Weil eVIEW auch auf dem Tablet funktioniert, können die Kollegen auf der Baustelle mit dem Stift Notizen und Anmerkungen in die Dokumente einfügen. Das verbessert den Informationsfluss.“ Ein weiterer Vorteil: Das Tool ist kostenlos.
Schnelle Implementierung der neuen Module und Funktionen
Weil das Konstruktions-Team von KBB stets gut ausgelastet ist, traf es sich gut, dass Tim Flinspach als Werksstudent seine Bachelor-Arbeit über die Implementierung der neuen EPLAN Funktionen geschrieben hat. Seit dem Abschluss des Studiums verstärkt er das KBB-Team und betreut die Umsetzung der Projekte.
Einstieg in die automatisierte Fertigung von Schaltboxen
Eines der Projekte betrifft den Schaltschrankbau. Florian Becker: „Wir fertigen sehr viele kleinere Klemmenkästen und Unterverteilungen aus Kunststoff. Diesen Schritt haben wir jetzt automatisiert, indem wir eine Fräsanlage angeschafft haben und die Fräsdaten in EPLAN Pro Panel generieren.“ Das funktioniert in der Praxis hervorragend und erleichtert tatsächlich die Arbeit in der Fertigung: „Wir müssen die Ausschnitte für Displays und Bedienelemente nicht mehr manuell aussägen. Das spart Zeit, und die Gehäuse sehen auch besser aus.“
Einzeladerbeschriftung: „Make“ statt „buy“
Neben der Fräsanlage hat KBB auch eine Anlage für die Konfektionierung und Beschriftung von Einzeladern angeschafft. Im „Shopfloor“ des Konstruktionsbüros ist Arthur Kinder damit beschäftigt, die Fahrweise der Anlage zu optimieren: „Wir arbeiten noch an der Farbauswahl, um eine optimale Lesbarkeit zu erzeugen. Im Moment exportieren wir die Kabelliste aus EPLAN mit allen relevanten Informationen wie Länge, Querschnitt und Bedruckung noch in eine Excel-Liste. Demnächst wird die Anlage aber direkt die Daten aus EPLAN Pro Panel nutzen.“
Verdrahten ohne Schaltplan
Ein weiteres aktuelles Optimierungsprojekt betrifft die Verdrahtung der Schaltschränke und Klemmenkästen. Hier wird nun konsequent EPLAN Pro Panel genutzt, was zur Folge hat, dass die Mitarbeiter in der Fertigung ohne Schaltplan verdrahten können – und dass die Leitungslängen immer passen, ohne große Sicherheitszugaben. Florian Becker: „Gerade bei Arbeitsbühnen-Anlagen für Schienenfahrzeuge von bis zu 400m Länge ist der Kabelanteil sehr hoch. Früher haben wir vor Ort mit Kabeltrommeln gearbeitet. Jetzt liefern wir abgelängte, konfektionierte und beschriftete Leitungen. Das spart Zeit und hilft, Fehler zu vermeiden.“
Consulting – und es geht weiter
Eher unüblich war es für Florian Becker, bei den beschriebenen Projekten Consulting-Unterstützung von EPLAN in Anspruch zu nehmen. „Eigentlich erarbeiten wir uns das nötige Wissen selbst, mit Hilfe von Videos und Foren. Hier aber war das Consulting wirklich hilfreich und empfehlenswert. Es hat uns ein tieferes Verständnis vermittelt und zu manchem Aha-Effekt geführt.“
Für die kommenden Monate haben sich die Verantwortlichen weitere Projekte vorgenommen: „Wir werden die Aderkonfektionierung weiter verbessern, in Richtung Smart Wiring. Und wir werden uns mit dem Augmented Reality-Feature von eVIEW beschäftigen. Es bietet das Potenzial, den Service vor allem bei Anlagen im Ausland zu vereinfachen, weil wir uns zumindest im ersten Schritt per AR ein Bild von der Lage machen können.“
Autor: Gerald Scheffels, freier Fachjournalist, Wuppertal